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Interview mit ASO Delegiertem Josef Schnyder

Nachfolgend finden Sie in Interview mit Josef Schnyder, Delegierter im Auslandschweizerrat der ASO für Thailand und Vizepräsident Swiss Society Bangkok. Das Interview wurde durchgeführt von Christian Brunner, Präsident Swiss Society Bangkok.

Das Interview wurde zuerst auf der Webseite der Swiss Society Bangkok veröffentlicht und ist auch als PDF-Datei verfügbar.


Du kommst gerade vom Auslandschweizerkongress in St.Gallen zurück. War die Konferenz allgemein ein Erfolg in Deinen Augen?

Zwei Themen dominierten den Kongress.  Hauptthema waren natürlich die bevorstehenden National- und Ständeratswahlen. Am zweiten Tag wurde über Kultur als Schweizer Exportprodukt gesprochen. Ich habe interessanten Diskussionen beigewohnt, und konnte einigen Politikern unsere Anliegen vortragen. Ob dies erfolgreich war, werden wir bald erfahren.

Sind die Delegierten des Auslandschweizerrates (ASR) am politischen Geschehen in der Schweiz überhaupt interessiert und wird dies von der ASO Direktion in Bern gefördert?

Wir Delegierten des ASR vertreten die Anliegen der Auslandschweizer und müssen uns dafür einsetzten, dass diese Themen in der Regierung wahrgenommen werden und entsprechend umgesetzt werden. Die ASO in Bern spielt dabei eine wichtige Rolle und nimmt diese auch wahr. Für uns Delegierte ist es zudem wichtig, dass wir Vertreter im Parlament haben, die unsere Probleme verstehen und bereit sind, auf Lösungen hin zu arbeiten. Die politische Partizipation der Auslandschweizer ist nicht nur ein Recht, sie ist auch eine Pflicht.

Wie haben die bevorstehenden Wahlen das Kongress-Programm beeinflusst?

Es waren Vertreter aller politischen Parteien auf nationaler Ebene präsent. Wir haben dieses Jahr die Zahl von 800’000 Auslandschweizern überschritten, davon sind 230’000 in einem Stimmregister eingetragen. Das entspricht einem Kanton wie etwa das Tessin oder das Wallis. Die Statistiken zeigen, dass die Anzahl Stimmberechtigen der Auslandschweizer doppelt so schnell steigt wie die der Inlandschweizer. Wir stellen deshalb auch ein zunehmendes Interesse der politischen Parteien fest.

Wie hat sich das im Detail ausgewirkt?

Es fanden diverse Podiumsgespräche statt, die professionell moderiert wurden. In einem zweiten Teil konnten wir Delegierte Fragen stellen, zu denen die Politiker Stellung nahmen. Das Podiumsgespräch kann übrigens im Life-Stream mitverfolgt werden. Politisches Programm 19. August 2023. Ab der Stelle 2h18 wird das Thema Krankenkasse für Auslandschweizer angesprochen. Die Diskussionen mit den Politikern konnten anschliessend währen des Lunches oder am Marktstand der Partei weiter vertieft werden.

Was sind allgemein die wichtigsten Interessen der Auslandschweizer?

Allgemein belasten uns Themen wie Schweizer Bankkonto, Personenfreizügigkeit, E-Voting, Kranken-versicherungen und Sozialleistungen. Als Auslandschweizer verliert man einiges, was in der Schweiz selbstverständlich ist.

Vielen von uns wurde das Schweizer Bankkonto gekündigt. Das ist ein Problem, wenn man ein Konto in der Schweiz braucht, um AHV oder Pensionskassengelder zu überweisen, oder wenn noch eine Hypothek auf einer Liegenschaft besteht. Die ASO hat diesbezüglich Abkommen mit der BCGE und ZKB ausgehandelt. Diese beiden Banken offerieren Auslandschweizern nun Konten zu angemessenen Bedingungen.

Immer mehr Schweizer entscheiden sich, ihren Lebensabend im Ausland zu verbringen. Doch wer die Schweiz in ein Land ausserhalb der EU/EFTA verlässt, kann die Schweizer Krankenversicherung nicht einfach beibehalten und bekundet oft Mühe, im fortgeschrittenen Alter oder bei bestehenden Vorerkrankungen einer privaten Krankenversicherung beizutreten.  Das kann sich bei einer plötzlich eintretenden Krankheit oder Unfall fatal auswirken. Stossend, wenn man bedenkt, dass diese Auslandschweizer ihr ganzes Arbeitsleben Prämien in die Schweizer Krankenkasse einbezahlt haben und eventuell nie Leistungen bezogen haben. 

Ein weiteres Evergreen ist das E-Voting. Viele Auslandschweizer erhalten die Abstimmungsunterlagen zu spät und können somit an einer Abstimmung oder Wahl gar nicht teilnehmen. Die deutlich tiefere Wahlbeteiligung der Auslandschweizer liegt wohl auch daran, dass sie ihr Stimmmaterial zu spät erhalten. E-Voting muss deshalb dringend schweizweit eingeführt werden, und zwar in beide Richtungen: elektronischer Versand der Abstimmungsunterlagen und elektronische Abstimmung. Die Kantone BS, SG und TG haben kürzlich das E-Voting für Auslandschweizer wieder eingeführt. Es besteht Hoffnung, dass die übrigen Kantone bald nachziehen werden.

Du hast das Problem der Krankenkasse erwähnt. Dies ist sicherlich das Hauptanliegen der Schweizer und Schweizerinnen in Thailand. Gibt es da Aussichten auf eine Lösung?

In den letzten 12 Jahren ist die Anzahl Schweizer in Thailand, die über 65 Jahre alt sind, von 1200 auf über 4000 gestiegen. Das ist eine Zunahme von jährlich 15 %. Wegen den teuren Lebenskosten in der Schweiz wird dieser Auswanderungstrend anhalten. Wie schon erwähnt, werden diese Rentner von der Schweizer Kranken-Grundversicherung ausgeschlossen, obwohl sie ihr ganzes Arbeitsleben Prämien einbezahlt haben. Die heutige Gesetzgebung beruht auf dem KVV von 1996 und muss in einigen Bereichen der heutigen Situation angepasst werden. Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter hat das Problem erkannt und im Mai ein Postulat über eine gesicherte Krankenversicherung für Auslandschweizerinnen und Ausland-schweizer eingereicht. 

Wie waren die Reaktionen auf diesen parlamentarischen Vorstoss?

Das Postulat wurde von 35 Nationalratsmitgliedern, über alle Parteien verteilt, mitunterzeichnet. Es kann also davon ausgegangen werden, dass das Problem breitflächig erkannt wurde und im Rat entsprechend Unterstützung hat. Im Weiteren hatte die Presse das Thema aufgenommen, was zu vielen Diskussionen führte, was gut ist. Einige Parteien haben dazu auch bereits Stellung genommen. Der Bundesrat ist leider in erster Instanz nicht gewillt, auf das Problem einzugehen und hat dem Rat eine Empfehlung zur Ablehnung unterbreitet. Das Postulat wird in der nächsten Legislaturperiode im Nationalrat zur Debatte kommen. Wenn es vom Rat gutgeheissen wird, muss der Bundesrat dem Parlament innerhalb der nächsten zwei Jahre eine entsprechende Gesetzesänderung vorlegen. Wenn es abgelehnt wird, müssen wir uns überlegen, wie vorgehen, damit ein nächster parlamentarischer Vorstoss Erfolg hat. Eine Lösung ist zumindest in absehbarer Zeit nicht zu erwarten. 

Der Bundesrat hat eine Ablehnung des Postulates empfohlen. Kann im jetzigen Zeitpunkt die bevorstehende Debatte im Nationalrat noch beeinflusst werden und wenn ja, wie?

Der Bundesrat hat hier eine Chance verpasst, auf ein brisantes Thema einzugehen. Es geht ja nicht nur um zusätzliche Leistungen der Schweizer Krankenversicherer, sondern auch um zusätzliche Prämien-einnahmen, wenn Versicherte weiterhin Prämien bezahlen und um eine Verringerung der Leistungen, wenn Behandlungen im Ausland zu tieferen Tarifen durchgeführt werden können, was den heutigen kostspieligen Medizintourismus massiv einschränken würde. Ich hatte kürzlich Gelegenheit, die Problematik Vertretern der parlamentarischen Gruppe Auslandschweizer vorzutragen und man hat beschlossen, eine Arbeitsgruppe zu bilden, die Lösungen zu diesem Thema aufzeigen soll. Es ist erfreulich, dass man in Bern das Problem erkannt hat, aber es wird sicher ein langer und holpriger Weg sein, und vielleicht müssen wir auch mehrere Anläufe nehmen.

Ich danke Dir für Dein Engagement in dieser wichtigen Angelegenheit. Nun zum zweiten Teil der Konferenz in St.Gallen: Kultur als Schweizer Exportprodukt. Kann die Schweiz Kultur exportieren?

Ja, sicherlich. Jeder kennt doch das Matterhorn, Toblerone und den Schweizer Käse mit den Appenzeller Trachten als Werbeträger. Die Schweizer Kultur ist unglaublich vielfältig und schlägt Brücken zwischen der Schweiz und der Welt. Der Export von Schweizer Kultur hilft dem Schweizer Tourismus enorm. Nehmen wir zum Beispiel unsere Alpenkultur – Heidi, Fondue, die Milka Kuh – überall auf der Welt kennt man sie und zieht Touristen in unser Land an. Bei grossen Anlässen organisiert Swiss Tourismus das House of Switzerland, wo den internationalen Besuchern Schweizer Kultur angeboten wird. Schweizer Volksmusik wird in alle Welt exportiert. Erst kürzlich war ein Schweizer Alphorn Quartett bei uns in Bangkok auf Besuch. Schweizer Künstler wie Alberto Jacometti, Paul Klee, Jean Tinguely oder DJ Bobo, um nur einige zu nennen, sind weit über die Landesgrenzen bekannt. Oder auch das Montreux Jazz Festival, das Béjard Ballet Lausanne, das Luzerner Sinfonieorchester, kürzlich in Bangkok, oder das Locarno Festival sind Begriffe, die man auf der ganzen Welt kennt.

Jérôme Benoit, Stv. Direktor Pro Helvetia, Marina Pondini, Co-Leiterin Kulturförderung St.Gallen, sowie Stéphanie Baechler, Keramik- und Textilkünstlerin lieferten am Kongress interessante Vorträge über das Thema Kunst. Nationalratspräsident Martin Cadinas meinte: «Die Schweizer Kultur ist nicht nur ein Exportprodukt, sie ist ein Exporterfolg»

Soweit zum Kongress in St.Gallen. Zurück zu den Wahlen. Du hast Dich als Nationalratskandidat der Mitte International auf der Wahlliste des Kantons Thurgau aufstellen lassen. Was ist Deine Motivation dazu; willst Du Nationalrat werden?

Als Delegierter im Auslandschweizerrat der ASO hatte ich in den letzten Jahren Gelegenheit, mich im Rat, im Parlament und bei den Behörden aktiv für die Anliegen der Auslandschweizer einzusetzen, angefangen mit den Covid Impfungen für Auslandschweizer in der Schweiz, der Anerkennung des thailändischen Impfstoffes AstraZeneca für das Schweizer Impfzertifikat, über die Problematik der Krankenversicherung. Dabei habe ich festgestellt, dass die politischen Parteien die Anliegen der Auslandschweizer unterschiedlich unterstützen. In meiner Arbeit wurde ich von Vertretern der Mitte, insbesondere von Elisabeth Schneider-Schneiter, Co-Präsidentin der Parlamentarischen Gruppe Auslandschweizer, stets motiviert und unterstützt. Für uns Auslandschweizer ist es wichtig, dass wir in Bern Vertreter haben, die bestrebt sind, Lösungen für unsere Probleme zu finden. Deshalb unterstütze ich Die Mitte in den Wahlen mit meiner Kandidatur auf der Liste 36 der Mitte International im Kanton Thurgau; ich habe im Kanton Thurgau den grössten Teil meiner Jugend verbracht und fühle mich mit diesem Kanton auch nach 34 Jahren Auslandaufenthalt immer noch verbunden. Es geht mir hier nicht darum, als Nationalrat gewählt zu werden, sondern in erster Linie um die Unterstützung einer Partei, die sich für die Anliegen der Auslandschweizer interessiert und deren Probleme zu lösen versucht.

Wie kann man als Auslandschweizer Dich wählen?

Wählen können mich alle, die in einem Stimmregister im Kanton TG eingetragen sind. Wähler von anderen Kantonen können mich unterstützen, indem sie eine beliebige Liste der Mitte Partei ihres Kantons einreichen.

Wie siehst Du die politische Rolle der Auslandschweizer in fernerer Zukunft?

Die Anzahl Auslandschweizer nimmt ständig zu. Deshalb werden wir in Zukunft auch eine grössere politische Rolle übernehmen müssen. Die Parteien in der Schweiz werden nicht darum herumkommen, Stimmen von Auslandschweizern zu bewerben. Zur Diskussion steht die Bildung eines 27. Kantons im Parlament, ein separater Kanton für die Auslandschweizer. Das wäre zwar ein langer Weg aber würde uns sicherlich mehr Einfluss im Parlament beschaffen.

Interview: Christian Brunner, Präsident Swiss Society Bangkok

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